Am 1. Mai 2014 tritt in Berlin das Zweckentfremdungsverbot in Kraft. Was ist das überhaupt?
Das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, kurz Zweckentfremdungsverbot, hat das Berliner Abgeordnetenhaus schon im November verabschiedet. Zum 1. Mai tritt es in Kraft und hat zum Ziel, die angespannte Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu entschärfen. 73.000 Wohnungen fehlten in Berlin laut einer Studie des Immobilienunternehmens Engel&Völkers vom vergangenen Jahr. Dieser Bedarf soll nicht nur mit einer Neubauoffensive gedeckt werden – auch Wohnungen im Bestand, die derzeit anderweitig genutzt werden, sollen wieder als Wohnraum erschlossen, die Zweckentfremdung also beendet werden. Zudem gewährt das Gesetz den Bezirken, die für dessen Umsetzung verantwortlich sind, die Möglichkeit, gegen den Abriss oder Leerstand einer Wohnung für mehr als sechs Monate vorzugehen „Wohnraum soll in Berlin auch tatsächlich für die Berlinerinnen und Berliner zum Wohnen zur Verfügung stehen“, erklärt Michael Müller (SPD), Senator für Stadtentwicklung.
Was hat man sich unter so einer Zweckentfremdung vorzustellen?
Am meisten mediale Aufmerksamkeit haben in der Vergangenheit die Ferienwohnungen genossen. Bis zu 15.000 sollen es berlinweit sein. Genaue Zahlen fehlen aber, weil es keine zentrale Statistik dazu gibt. Darüber hinaus gelten auch Büros oder Praxen als Zweckentfremdung, wenn sie in Wohnungen eingerichtet wurden. Alle Nutzer, die einen Gewerbemietvertrag haben, fallen nicht unter die neue Regelung.
Das gilt jetzt für ganz Berlin?
Nicht zwangsläufig. Laut Gesetzt soll das Zweckentfremdungsverbot nur in Kiezen angewandt werden, in denen Wohnraum knapp ist. Wo das der Fall ist, das bestimmt der Senat. Und der sagt: Wohnraum fehlt derzeit in ganz Berlin.
Was passiert, wenn man sich nicht an die neuen Vorgaben hält?
Bis zu 50.000 Euro Strafe kommen auf diejenigen zu, die Wohnungen ohne Erlaubnis anderweitig nutzen.
Ich habe ein Büro in einer Mietwohnung. Was muss jetzt machen?
Erstmal gar nichts. Denn wer bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Wohnung für gewerbliche oder berufliche Zwecke genutzt hat, darf das bis zum Auslaufen des Vertrags weiter tun. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, sich die anderweitige Nutzung auch dauerhaft genehmigen zu lassen. Gute Chancen haben da soziale und gesundheitliche Angebote – etwa Arztpraxen, Kitas oder Flüchtlingsunterkünfte. Zudem spielt es eine Rolle, ob die wirtschaftliche Existenz einer Person gefährdet würde, wenn sie keine Ausnahmegenehmigung erhielte. Auch die Schaffung von Ersatzwohnraum kann helfen, wenn man dringend eine Genehmigung benötigt.
Wie sieht das bei Ferienwohnungen aus?
Hier liegt der Fall etwas anders. Ab dem 1. Mai haben die Vermieter von Ferienwohnungen zunächst drei Monate Zeit, sich zu registrieren, um daraufhin erstmal zwei Jahre Bestandsschutz zu genießen. Danach müssen sie sich ihr Gewerbe jedoch genehmigen lassen. Das erfolgt beim Bezirk. Dieser hat nach der Beantragung acht Wochen Zeit (mit einer Option auf sechs weitere Wochen Verlängerung), ein entsprechendes Gesuch zu bearbeiten. Gelingt ihm das nicht innerhalb dieser Frist, gilt die Genehmigung als erteilt. 17 zusätzliche Stellen werden in den Bezirken für diese Zusatzaufgabe eingerichtet – viel zu wenig, wie diese meinen. Es könnte also sein, dass viele Zweckentfremdungen einfach aus dem Grund genehmigt werden, dass niemand Zeit hat, die Genehmigung zu verwehren. In dieser Frage streiten Bezirke und Senat derzeit noch.
Generell wenig Sorgen müssen sich die Betreiber von Gästewohnungen, etwa von Gewerkschaften oder Universitäten, machen, da „ihre Bereitstellung für besondere Zielgruppen ein berechtigtes privates oder auch öffentliches Interesse beinhaltet“, meint die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Und was ist mit privaten Zimmervermietungen, etwa über Airbnb?
Gute Frage. So genau steht das im Gesetz nämlich nicht. Airbnb verweist auf Anfrage auf einen Beitrag der SPD-Politikerin Iris Spranger zur Diskussion über das Gesetz im Abgeordnetenhaus im November, in dem sie sagt, „dass Nutzungen im Rahmen der üblichen Wohnungsnutzung selbstverständlich weiterhin erlaubt sind“. Das gelte insbesondere für nicht gewerbliche Wohnungstausche sowie die Mitbenutzung zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken, wenn die Wohnungsnutzung überwiege, so Spranger.
Etwa 10.000 Wohnungen werden laut Airbnb derzeit auf deren Website in Berlin angeboten. Diese seien zumeist Hauptwohnsitze der Gastgeber und würden nur zeitweise auch an Gäste vermietet, so das Unternehmen. Vom Zweckentfremdungsverbot wären diese nach Leseart des Unternehmens also nicht betroffen. Konkret müsste man wohl von Fall zu Fall prüfen, ob nun Wohnnutzung oder Vermietung überwiegen.
So genau scheint es das Unternehmen selbst aber gar nicht wissen zu wollen: Airbnb würde die jeweiligen Wohnungsanbieter immer auf geltende Rechtslagen hinweisen und zudem zur Rücksichtnahme anhalten, heißt es. Die Verantwortung wird damit an die Vermieter abgegeben.
Stattdessen spricht Airbnb lieber darüber, dass die Zimmervermietung für manche Berliner eine unverzichtbare Zusatzeinkunft sei. Zudem seien die Gäste gut für die Geschäfte und Lokale im Umfeld. 100 Millionen Euro hätte die private Zimmervermietung laut einer im September veröffentlichten Airbnb-Studie Berlin eingebracht. Hier zeichnet sich das Hauptargument der Gegner des neuen Gesetzes ab: Es behindere den Tourismus als wichtigen Wirtschaftsfaktor Berlins.
Was sagen denn die Betreiber der Ferienwohnungen?
Hans Dentler zum Beispiel gibt sich relativ entspannt. Er betreibt das Ferienwohnungs-Portal ferienwohnungen-berlin.de. „Es glaubt kaum jemand, dass dieses Gesetz vor Gericht Bestand hat“, sagt er. Schließlich gelte es nur in Gebieten, in denen erwiesener Maßen Wohnungsmangel herrsche. Das zu beweisen dürfe dem Land aber schwer fallen – es gebe einfach keine valide Statistik. „Dagegen wird es sicher Klagen geben“, meint Dentler.
Da gibt es doch sicher schon einen Verband oder eine Interessenvertretung, die sich dem annehmen wird, oder?
Ganz genau. Im Sommer 2013 gründete sich die Appartement-Allianz als Interessenvertretung von Ferienwohnungsbetreibern. 550 aus Berlin sind dort, laut eigenen Angaben, registriert. „Es werden Arbeitsplätze vernichtet und ein gewaltiger, teurer Verwaltungsapparat wird aufgebaut. Am Ende werden so im besten Fall ein paar tausend Wohnungen frei, die für die meisten Berliner nicht einmal bezahlbar sind“, sagt Allianz-Mitglied Stefan Jülke.
Ähnlich argumentiert auch der Interessenverein der Berliner Privatvermieter (IVBP).
Hätten solche Klagen denn Aussicht auf Erfolg?
Reisen wir doch einmal kurz gut zehn Jahre zurück. Damals gab es nämlich schon einmal ein Zweckentfremdungsverbot in Berlin. 2002 hat das Oberverwaltungsgericht es jedoch kassiert mit der Begründung, dass es in Berlin keinen Wohnungsmangel gebe.
Falls das neue Gesetz wieder vor Gericht landete, wäre das Land Berlin erneut in der Pflicht, den Mangel zu beweisen. Doch dazu fehlen, wie oben bereits beschrieben, schlicht die Daten. Bis 2011 wurde der Leerstand noch mithilfe von Vattenfall und der Anzahl der nicht angemeldeten Stromzähler erfasst. Doch diese Zählung gibt es nicht mehr. Aktuell hat das Land ein Institut beauftragt. Doch die so ermittelten Daten hält nicht einmal die Berliner Mietergemeinschaft für valide. Auch diese befürchtet – wenn auch aus ganz anderen Gründen als die Interessenvertretung der Zimmervermittler -, dass das Zweckentfremdungsverbot vor Gericht keinen Bestand hätte. An dieser Annahme scheint also etwas dran zu sein.
Na toll. Und wofür der ganze Stress dann, wenn eh alle glauben, dass das Gesetz nur bis zum nächsten Gerichtsurteil hält?
Es gibt Stimmen, die behaupten, dass die mit der SPD in Berlin regierende CDU nie ein Freund dieses Gesetzes war und daher auch kein großes Interesse daran hatte, es rechtssicher zu gestalten. Darauf verzichten ging nicht, weil die SPD sich derzeit mit der Lösung der Berliner Wohnungsmisere profilieren möchte. Mit diesem Gesetz sei beiden geholfen, heißt es: Denn wenn das Gericht es wieder kassierte, hätten sowohl CDU als auch SPD ihr Gesicht gewahrt. Doch das sind nur Gerüchte.
Letzte Frage, da wir gerade von Gericht sprechen: Gab es da unlängst nicht schon ein Urteil?
Stimmt. „Die Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet kann gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen“, so lautete ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts im Februar. Die Mieter eines Wohnhauses mit zahlreichen Ferienwohnungen in Berlin-Prenzlauer Berg hatten sich über zu viel Lärm beschwert – Geräusche beim Ein- und Auszug der Gäste, laute Musik, versehentliches Klingeln. Die Bauaufsicht des Bezirks hatte daraufhin die Nutzung als Ferienwohnung untersagt. Dagegen hatte die Eigentümerin des Hauses geklagt.
Doch das Gericht bestätigte die Einschätzung des Amtes. Eine Ferienwohnung sei planungsrechtlich kein Wohnen, sondern eine gewerbliche Nutzung, die im Wohngebiet nur ausnahmsweise zulässig sei, so das Gericht. Wegen der damit verbundenen Belastungen seien Ferienwohnungen in Mehrfamilienhäusern regelmäßig problematisch und verstießen deshalb gegen das Rücksichtnahmegebot.
Dieses Urteil, das sich allein auf die gültige Bauordnung beruft, ergänze das Zweckentfremdungsverbot, so das Gericht. Übersetzt bedeutet das: Selbst wenn man das mit dem neuen Gesetz letztendlich doch nichts wird, muss man sich immerhin an das Rücksichtnahmegebot halten.
Alles beim Alten bleibt es damit für die Anbieter von Ferienwohnungen definitiv nicht.
Text: Juliane Wiedemeier
Zum Glück gibt es für die Vermieter aber noch eine Übergangsfrist von 2 Jahren. Erst dann werden die Bußgelder fällig. Ob das neue Gesetz zur „Zweckentfremdung von Wohnraum“ wirklich was bringt, wird sich zeigen. Tatsächlich werden nämlich nur höchstens 0,7% der Wohnungen in Berlin als Ferienwohnungen genutzt.
weisst du zu welcher mailadresse man die unterlagen fuer genehmigung einer fewo schicken muss? bis heute…
Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwVbG) vom 29. November 2013 (Gesetz und Verordnungsblatt Berlin S. 626) erlassen. Mit dem Erlass der entsprechenden Verordnung zum ZwVbG tritt dieses Gesetz zum 01. Mai 2014 in Kraft.
Weitere Informationen
Mit diesem Gesetz soll angesichts der Verknappung von Wohnraum in Berlin dem bisher uneingeschränkten Entzug von Wohnraum durch Zweckentfremdung, insbesondere durch den Betrieb von Ferienwohnungen, entgegengewirkt werden.
Anträge oder Anzeigen die sich aus § 2 oder § 3 ZwVbG ergeben, sind an das
Bezirksamt Mitte von Berlin
– BüD 1 –
Mathilde-Jacob-Platz 1
10551 Berlin
zu richten.
Auskünfte erteilt Frau Lipelt telefonisch.
Frau Lipelt
Mathilde-Jacob-Platz 1
10551 BerlinTel.:(030) 9018 3 2613Fax:(030) 9018 3 2072
Sie erhalten weitere Informationen und Formulare bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Gute Zusammenfassung zur Rechtslage. Das war mein erster Einstieg in das Thema und ich muss sagen, der ist sehr geglückt.
Inzwischen ist mehr als ein Jahr vergangen. Wie sieht denn die aktuelle Lage aus?
Um gegen die illegalen Ferienwohnungen vorzugehen, stellte von Dassel im vergangenen Jahr eine kleine Behörde zusammen. Seine Kollegen in den anderen Bezirken taten es ihm gleich. Doch die Behörden sind mit der Umsetzung des Verbotes völlig überfordert….. https://taz.de/!5204414/
Die aktuelle Lage: Alle Anträge auf Nutzung für Ferienwohnungen werden in allen Bezirken abgelehnt. Antrag zwecklos, wird sowieso abgelehnt und verursacht dann auch noch Kosten. Das Amt berechnet 100 Euro Bearbeitungsgebühre pro Ablehnung!
Weiß jemand wie es bei Zimmervermietung im eigenen Haus aussieht? Gilt das Zweckentfremdungsverbot auch dort?
Im eigenen Haus (sofern man dort angemeldet ist) gilt das Zweckentfremdungsverbot nicht